Mela Hartwig-Spira (1893–1967)

 Fotograf/-in: Unbekannt, um 1925, Literaturverlag Droschl

AUTORIN, MALERIN, VERTRIEBENE

Melanie Herzl wurde 1893 in Wien geboren. Ihr Vater konvertierte 1895 vom Judentum zum Katholizismus und änderte den Namen der Familie in Hartwig. Nach einer Ausbildung zur Schauspielerin am Wiener Konservatorium hatte sie Engagements an verschiedenen Bühnen. 1921 heiratete sie den jüdischen Rechtsanwalt Robert Spira und zog mit ihm nach Graz, wo erste literarische Arbeiten entstanden. Mit ihrer Novelle Das Verbrechen nahm sie 1927 am Literaturwettbewerb der Literarischen Welt teil und wurde vom Juror Alfred Döblin als einzige Autorin ausgezeichnet. Stefan Zweig vermittelte den Kontakt zum Wiener Paul Zsolnay-Verlag, der Hartwig 1928 als erste österreichische Schriftstellerin unter Vertrag nahm und ihre Novellensammlung Ekstasen sowie 1929 ihren Roman Das Weib ist ein Nichts veröffentlichte.

Der bürgerlichen Literaturkritik galt Hartwigs Werk, in dem weibliche Sexualität dargestellt und Themen wie Vater-Tochter-Inzest, Abtreibung oder Vergewaltigung verhandelt werden, bereits Ende der 1920er Jahre als anstößig. Nachdem der Zsolnay-Verlag sich aus Rücksicht auf den reichsdeutschen Markt ab 1931 weigerte, ihre Bücher zu veröffentlichen, erschien die Pogromerzählung Das Wunder von Ulm 1936 in einem Pariser Exilverlag, zudem begann Spira nun auch zu malen.

1938, unmittelbar nach dem Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland, flohen Mela und Robert Spira nach London, wo sie sich unter großen Schwierigkeiten eine neue Existenz aufbauten. Trotz der Nähe zu britischen Intellektuellenkreisen – vor allem die Bekanntschaft mit Virginia Woolf war für Hartwig von Bedeutung – konnte die vom deutschsprachigen Literaturbetrieb isolierte Autorin bis auf wenige Arbeiten nichts mehr publizieren. Erfolge konnte Hartwig-Spira, die sich als Sechzig-jährige gänzlich der Malerei zuwandte, jedoch als Malerin feiern. Der anhaltende Antisemitismus im Nachkriegs-österreich sowie die schleppende Restitution hielten das Ehepaar Spira davon ab, in die Steiermark zurückzukehren. Hartwig-Spira starb 1967 in London, kurz danach nahm sich ihr Mann das Leben. Erst in den 1990er Jahren erfuhr ihr literarisches Werk eine Wiederentdeckung.

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